ja, ich lebe noch! Und nicht nur das, ich habe viel erlebt in den letzten Wochen.
Die Vorweihnachtszeit war sehr anstrengend. Die Nächte wurden immer kälter und wir mussten von Kelsey Abschied nehmen. Da wir gemeinsam starteten war der Abschied komisch. Doch am Tag ihrer Abreise kam Anne hier in Indien an. Und das war wunderbar. Ihr erster Tag hier wurde zum Fiasko. Ich holte sie morgens am Flughafen ab, die Freude war groß! Am gleichen Tag wollten wir uns mit Freunden in Delhi treffen. Leider klappte das nicht wie geplant und so kam es, dass wir uns 20 Minuten sehen konnten um dann aber schnell wieder zum Zug zu verschwinden. So war der Tag hektisch, laut und einfach typisch indisch. Arme Anne. Aber als wir dann endlich in der Shishya waren, es war der 24. Dezember - Weihnachten-, konnten wir uns endlich ausruhen. Zum Abendessen gab es Klöße und Rotkraut, leider kein Fleisch. Den Abend haben wir damit verbracht, mit der gesamten Shishya-Besatzung zu essen, am Feuer zu sitzen und uns das Weihnachtsprogramm anzuschauen. Es war wirklich spaßig, die Jungs haben uns wieder einmal all ihre Talente aufgetischt: Gesangsauftritte, Tänze, Schauspiele, etc. Auch Lilo und ich mussten etwas vorführen, wir haben "Maria durch ein Dornwald ging" gesungen. Am Sonntastag fand ein gemeinsamer Gottesdienst im freien bei 23 (!!!) grad statt. Ken hat gepredigt und es war einfach schön. Am darauffolgenden Tag fuhren Anne und ich spontan nach Rishikesh, eine wunderbare Yogistadt am Ganges. Überall sind Ashrams, Yogacenter, kleine und hübsche Geschäfte, Affen, hilfsbereite und nette Inder und eine gewisse Ruhe, die man hier sonst nirgendwo hat. Wir haben diesen Tag sehr genossen. Die nächsten Tage haben wir hier in der Shishya verbracht, Anne hat die Jungs kennengelernt, aber diese haben viel gearbeitet. Silvester haben wir oben in den Bergen in Mussoorie verbracht. Dort war so viel los, dass wir einfach ein warmes (!) Hotelzimmer genommen, gut gegessen haben und Rapunzel in TV schauten. Neujahr stießen dann Julia und Lilo mit ein paar indischen Freunden zu uns und da haben wir uns den Kempty Falls angesehen, einen Wasserfall. So spannend war es nicht, aber wir durften vier dicken Indern beim Baden im kalten Wasser zuschauen. Mit Schwimmringen - rosa und hellblau. Ich schreibe nichts weiter dazu. :) Am vierten Januar sind Anne und ich nach Varanasi aufgebrochen. Varanasi ist indiens heiligste Stadt, am heiligen Fluss Ganges. Meine Vorstellungen waren daher kindlich naiv, ich erwartete eine relativ saubere Stadt mit prächtigen Tempeln.
Nach einer sehr anstrengenden und schlaflosen Zugfahrt, unser Waggon war ausschließlich mit schnarchenen (und weiteren unschönen Geräuche machenden) Männern gefüllt, haben wir mit vier Stunden Verspätund, müde und hungrig unser Ziel erreicht. Das Hotel, das ich gebucht hatte, war sehr schön. Relativ zentral, sauber und mit netten Angestellten. Den nächsten Tag starteten wir sehr zeitig um 7 mit einer Bootsfahrt auf dem Ganges. Es war gruselig! Der Nebel war so stark, dass wir kaum etwas gesehen haben. Aber was wir sahen war ausreichend. Wir starteten am Mainghat. Dort werden die morgendlichen und abendlichen Zeremonien zu Ehren Mutter-Ganga praktiziert. Wir ruderen vielen verschiedenen Ghats, Flussufern, an den einen wuschen die hindus sich selbst und ihre Wäsche, tranken Wasser, putzen sich die Zähne, führten ihre Rituale durch. Doch 10 Meter weiter schwammen Kadaver von Kühen, Müll, und vieles mehr. Weitere 10 Meter entfernt wurden die Leichen reingewaschen und anschliesend verbrannt. Für jeden Hindu ist es erstrebenswert wenigstens einmal im Leben nach Varanasi zu kommen. Sie nennen die Stadt auch "das Tor zur Ewigkeit", denn wer in Varanasi stirbt, entkommt dem Rad der Wiedergeburt. Darum reisen viele Hindus aus ganz Indien am Ende ihres Lebens dorthin, um dort zu sterben. Allerdings ist es teuer dort zu sterben und verbrannt zu werden. Außerdem wird eine Leiche nur dann verbrannt, wenn der verstorbene gesund war. Die Kranken wurden bereits von den Göttern geholt. Ich habe bei einer Leichenverbrennung zugeschaut, es war gruselig, aber dennoch fastzinieren! Unsere Guide hat uns erzählt, das täglich 300 Leichen verbrannt werden. Eine braucht 3 Stunden und anschließend wird die Asche dem Ganges übergeben. Aber nicht immer werden alle Leichenteile verbrannt, die verkohlten reste werfen sie dann einfach ins Wasser, weil schon die nächste Leiche wartet. Wenn heilige Männer und Frauen sterben, werden sie einfach so dem Ganges übergeben. Jetzt habt ihr eine vage Vorstellung wie es sich anfühlt auf dem Ganges Boot zu fahren! Anschließend haben wir eine Tempelrundfahrt gemacht, es gibt sehr viele in Varanasi. Überall in Indien begegnet man den Bettlern, aber so schlimm habe ich es noch nicht erlebt. Es ging so weit, dass ich ein kleines Kind schubsen musste. Sie wollte mir mein Essen grob entwenden und find an mich zu schlagen, eine sehr unangenehme Situation. Nach diesem Tag voller Eindrücke sind wir müde ins Bett gefallen und am nächsten Morgen ging es schon wieder zurück nach Dehradun. Die Zugfahrt war der vorherigen nach Mumbai ähnlich. Ich hatte so einige MÄNNLICHE Gäste in meinem Bett, sobald ich die Augen schloss. Es war nervig, eklig und unangenehm. Aber ich habe es überlebt und auch Anne geht es gut, sie ist im Moment auf der Heimreise. Ich bin dankbar für die Zeit mit ihr und ich bin ebenso dankbar für die Erfahrungen, die ich hier sammle. Auch wenn ich den Varanasitrip mehr als unangenehm und gruselig empfunden habe, war es doch bereichernd. Soviel für heute, das war eine Menge, alles Liebe eure Johanna.